29.12.48: Das Bessere ist der Feind des Guten!


Elias Hauster an Julius Hauster:




Radauti 29/12 1948

Lieber Julius!

Wir stehen an der Schwelle großer Zeiten u. Ereignisse, u. da mußt du dir schon eine regere Korrespondenz meinerseits gefallen lassen. Deine Seitenhiebe von Taktausstellungen [Anm.: verm. "Taktlosigkeiten"] u. Schulmeisterei etc. etc. lassen wir dann auf einer Nebenwalze abrollen, bis sie sich leerlaufen. Du steht mit deinen Anschauungen über Palästina ziemlich isoliert da. Die Reichtümer des Negev an Eisen, Kupfer, Wolfram, Zirkon, Mangan, Kaolin, Glassand, Schwefel, Titan, Petrol, Uran, etc. etc. lassen auf eine gewaltige Zukunft dieses Erdenfleckes schließen. Das zionistische System der Betreuung jedes Einzelnen wird bald in die arab. Umgebung hinein, aber auch weiter hinaus, sozialrevolutionierend wirken. Und da taucht die brennendste der Gegenwartsfragen auf; die Wohnungsfrage, auf die sich jeder, der von der Technik etwas gerochen hat, werfen sollte. Wenn dir persönlich das von mir angestrebte Ziel kultureller Natur nicht lohnend genug erscheint (schließlich mußt du den Hauptteil der Energie ja für die verwenden, womit auch uns geholfen ist, laß die Chance nicht aus und strebe du die Ernennung als technischer Gesandtschaftsattachee in Tel Aviv an, sofern dieser Posten noch frei ist, sonst laß dich zu diesem Amte irgendwie detachieren [abordnen]. Vorher aber suche eine Kombination mit Industriekreisen (in-, besser noch ausländischen), welche an der Lösung der Wohnungsfrage fett verdienen wollen. Wie aus dem von mir dir beigelegten Zeitungsausschnitte hervorgeht, ist sofortiger Bedarf nach Tausenden von Wohnungen vorhanden, u. da tritt ein Phänomen zutage, das man heute gar nicht erwarten sollte: stellt sich so ein bedeutender Mann her, wie Ben Gurion, u. spricht des Weiten u. Breiten über den bald eintretenden Wohnungsmangel zufolge der Abrüstung, ohne mit einem Worte des in URSS bereits ziemlich fortgeschrittenen, vorfabrizierten Hauses zu erwähnen. Damit sollten sich doch ganze Zeitschriften befassen u. die Produktion am laufenden Band bis ins Einzelne regeln! Gibt es eine solche Zeitschrift? Also nun zu dir. Wenn du prompt eine Vertretung (nicht offiziell) einer Lieferungsfirma für v[or].f[abrizierte]. Häuser erhalten könntest, dann kann das Geschäft in Palästina bald losgehen. Amerikanische Kredite werden ja gerne gegeben, u. Palästina hat ein für solche Häuser ideales Klima! Als techn. Gesandtschaftsattachee wirst du große Geschäfte tätigen können, u. es wäre z. B. für Dynastien à la Dr. Fokschaner ein sehr dankbares Gebiet, in Rumänien eine Kauf- und Versandstelle solcher Häuser zu errichten und Schiffsladungen nach Palästina zu dirigieren, möge meinetwegen auch eine rumänische Staatsfabrik die Erzeugerin sein. Kurzum, mögen die vorbereitenden Kombinationen u. Spekulationen wie immer sein: das Ergebnis soll die regelmäßige Massenlieferung v[or].f[abrizierter]. Häuser durch dich, womöglich als rum. techn. Gesandtschaftsattachee in Tel Aviv sein! Dein Reiseverkehr ist dann nur per Avion [Anm.: frz. "Flugzeug"] u. Auto, deine Korrespondenz u. dein Gepäck zensurfrei, u. die brennendste Gegenwartsfrage, die Wohnungsfrage, ist in Palästina gelöst, auch für dich u. mich! Denn als Attachee wirst du uns ja unschwer den Aufenthalt u. das Fassen der Pension in Palästina sichern können! Das möchte ich noch, zusammen mit der Mutter erleben! Viel verdient man bei großen Warmobjekten. Petrolherde sind auch ganz schön, aber das Bessere ist der Feind des Guten! Ich habe dir schon einmal über den Gegenstand der v[or].f[abrizierten]. Häuser geschrieben u. möchte deinen Geschäftssinn mit Sirenenpfeifen für diese Konjunktur wachrütteln. Hoffentlich habe ich nun das Menschenmögliche hierzu beigetragen.

Wir küssen dich, deine Alten.

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